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Hypo Real Estate: Voll daneben!

Die gemeinhin unterschätzte Kunst, anlässlich eines aufgedeckten, peinlichen Missgeschicks über jeden Zweifel erhaben fachgerecht und ohne den leisesten Anstrich von Selbstbewusstsein schamrot im Boden zu versinken, lässt sich nicht erlernen. Sie ist eine Gabe.

Den Managern von Hypo Real Estate wurde sie nicht in die Wiege gelegt.

Allerdings handelt es sich beim nun bekannt gewordenen Missgeschick auch nicht wirklich um ein Missgeschick im klassischen Sinne. Vielmehr sieht es danach aus, als ob die Vorstandsetage der Münchener Bank die Anleger nach Strich und Faden an der Nase herum geführt hätte, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Denn in den wiederholten Statements der letzten Wochen und Monate hatte man immer wieder dezidiert betont, von der Immobilienkrise nicht betroffen zu sein.

Dass Banken gemeinhin nicht als Reservate der Moral zu gelten haben, ist nicht neu, aber was sich die Hypo Real Estate geleistet hat, überschreitet das Gewohnte erheblich.

Hinzu kommt, dass „irgend jemand“ mehr gewusst haben muss als der Rest des Publikums. Denn ungeachtet der zahlreichen Beschwichtigungsformeln des Vorstandes befand sich die Aktie bereits Mitte Mai auf dem Rückzug, um seitdem schon vor dem neuen „Coup“ um 38 Prozent abzusacken.

Und:

Verglichen mit letzten Jahren haben sich die Umsätze seit Juli deutlich mehr als verdoppelt. Zufälle gibt’s, gell?

Kurse lügen nicht!

In meinem „Kapitalschutz-Brief“ hatte ich die Aktie Ende Juli bei 46,30 Euro zum Verkauf empfohlen, aktuell notiert sie bei 24,02 Euro.

Nicht dass ich den Ausführungen der Chefetage misstraut hätte – ich habe sie einfach ignoriert. Deutlich fallende Kurse bei fortgesetzt massiv steigenden Umsätzen, da können die Sirenengesänge noch so süß klingen, sind immer ein Hinweis darauf, dass etwas ganz gewaltig faul ist und „informierte Kreise“ verkaufen.

Dass es keine Meisterleistung internationaler Banker war, sich ohne entsprechende Absicherung überhaupt am heißen Zocken im US-Immobilienmarkt zu beteiligen, ist das Eine. Sich dann aber wider besseres Wissen wiederholt als unbeteiligt am Schlamassel zu präsentieren, ist kein Kavaliersdelikt mehr.

Ein Einzelfall? Wohl kaum: Nicht ohne Grund sträuben sich die Großbanken seit Ausbruch der Krise mit Zähnen und Klauen dagegen, einander Kapital zu leihen. Keiner traut keinem. Und anders als am US-Immobilienmarkt scheint man hier das richtige Näschen zu haben.

Leitzins – eine stumpfe WaffeWas aber sollen in diesem Umfeld Leitzinssenkungen bewirken? Zum einen darf daran erinnert werden, dass es ja gerade die viel zu lange praktizierte Politik des zu billigen Geldes war, die zum heutigen Desaster geführt hat. Heute aber ist auf weiter Flur kein Markt mehr erkennbar, der noch „aufgebläht“ werden und damit eine Stabilisierungs- und Schrittmacherfunktion übernehmen könnte.

Zum anderen tragen Vorgänge wie jetzt bei Hypo Real Estate kräftig dazu bei, das bereits massiv angeschlagene Vertrauen am Kapitalmarkt vollends zu erschüttern. Die Folge: Werden Kredite überhaupt noch vergeben, dann nur zu höheren Zinsen, ganz egal, was die US- Notenbank tut. Genau diese Entwicklung ist bei Unternehmens- und Privatkrediten in den USA bereits zu beobachten. D. h.:

Der Kreditkreislauf funktioniert nicht mehr, so wie weiland in Japan, als die BoJ den Leitzins auf null setzte, der Konjunktur damit aber keine Impulse verleihen konnte.

Rezession oder nicht? Das ist gar nicht mehr die Frage. Denn nach dem bereits enttäuschenden Weihnachtsgeschäft verdeutlichen die neuen US-Einzelhandelszahlen, dass die Konsumenten bereits begonnen haben, den Gürtel ein Loch enger zu schnallen.

Konjunktur und dann auch Aktienmarkt werden daran auf Dauer nicht vorbei kommen. Eine gute Gelegenheit, um bei heißgelaufenen Rohstoffen einmal über mittel- bis langfristige Putpositionen nachzudenken. Z. B. Rohöl!

Mit besten Grüßen!
Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de


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