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Liebe Leserinnen und Leser,

das war überfällig: Ein neues Steuergesetz, das endlich für Gerechtigkeit sorgt: Für ein Flusspferd beträgt der Mehrwertsteuersatz weiterhin 19 Prozent - wie übrigens auch für Esel, allerdings nur, solange sie noch nicht geschlachtet sind, für ein Rennpferd hingegen sind nur sieben Prozent fällig. Wie auch für Hausschweine. Oder Pilze, die ohne Essig haltbar gemacht wurden. Oder auch für getrocknete Schweineohren, falls sie für den menschlichen Verzehr geeignet sind, selbst wenn sie dann als Tierfutter dienen.

Solidaritäts-“Zuschlag“, „Umwelt“-Prämie, Bürgerentlastungsgesetz, Finanzmarktstabilisierungsfonds - das alles ist euphemistischer Schnee von gestern. Pünktlich zum Nikolaus bereitete die Bundesregierung dem mit glänzenden Augen staunenden Publikum eine neue wohlklingende Bescherung: das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, in das auch oben genannte Regelungen zur Mehrwertsteuererhebung eingebettet sind.

Recht so – da wird sich manch einer den Kauf eines oder mehrerer Flusspferde wohl noch zweimal durch den Kopf gehen lassen und seine Lieben stattdessen mit ein paar getrockneten Schweineohren unterm Christbaum überraschen.

Dass viele Bundesländer, selbst CDU-regierte, jetzt murren, nur weil die Regierung Geld ausgeben will, das sie gar nicht hat und dafür andere zur Kasse bitten will, die es auch nicht haben, zeigt einmal mehr, wohin blindwütiger Realitätssinn letztlich führen kann – nämlich unausweichlich zur Erkenntnis des ökonomisch Machbaren und seiner Grenzen.

Dass sich die ökonomische Quadratur des Kreises einem Großteil der Öffentlichkeit dennoch als großer Wurf verkaufen lässt, liegt nicht zuletzt an der Rolle der Medien und anderer Meinungsmacher. Mit teilweise fatalen Folgen, wie ich erst am Wochenende am eigenen Leib erfuhr:
In meiner engeren Verwandtschaft hatte ich angeregt, dass man sich doch einmal überlegen solle, in Anbetracht der zu erwartenden Turbulenzen der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte etwas Geld zu spekulativeren Zwecken einzusetzen, um mit hoher Wahrscheinlichkeit aus „sehr wenig sehr viel“ machen zu können.

Einer der Befragten erwiderte, dass er meine Anregung zwar zu schätzen wisse, aber grundsätzlich nur in „sichere Anlagen“ investiere - und das seien für ihn Staatsanleihen.

In spätestens fünf Jahren dürfte dieser arme Mensch zur Kenntnis zu nehmen haben, wie „sicher“ Staatsanleihen von Staaten sind, die schlechtem Geld immer noch neues, gutes hinterher werfen und ihre Schuldentürme so lange anwachsen lassen, bis sie unter ihrer eigenen Last zusammenbrechen.
Nicht minder erschreckend empfand ich eine andere Aussage vom Wochenende: Ein befreundetes Arztehepaar konfrontierte mich mit der Aussage, dass an einem ganz konkreten Datum des kommenden Jahres die Hyperinflation beginnen werde. Gelesen hatte man das in einer Broschüre des XYZ-Verlags. Dass es sich bei dieser „Broschüre“ um das übliche, auf Effekthascherei und den Verkauf eines Abos ausgelegte, an der Grenze zum Unseriösen angesiedelte Werbung handelte, wurde selbst von diesen sehr gebildeten Menschen nicht erkannt.

Der finanzielle Blindflug, mit dem hier weite Bevölkerungsschichten unterwegs sind, ist geradezu erschreckend. Zumal, wenn man weiß, dass die mit Hunderten von Milliarden unterstützten US- Immobilienfinanzierer ihre Hypotheken schon wieder an eine absolut fragwürdige Klientel heraus gaben, und dass die Banken bis jetzt erst einen geringen Teil ihres toxischen Kreditmülls entsorgt haben. Aber wer weiß das schon - die Regierung „beschleunigt“ ja gerade das „Wachstum“. Per Gesetz!

VORSICHT, AUFSCHWUNG

Die Idee, das Wachstum zu beschleunigen, ist natürlich grundsätzlich hinterfragenswert. Schon permanentes Wachstum um seiner selbst willen ist wohl kaum ein „Wert an sich“, wohl aber schafft es Probleme, ganz egal, was auf diese Art und Weise wächst.Diesen Vorgang dann per Gesetz – wie immer das auch funktionieren soll - noch beschleunigen zu wollen, rennt angesichts der angeblich hinter uns liegenden Finanzkrise vielerorts offene Türen ein. Ungefragt bleibt dabei die Frage, ob es denn aktuell überhaupt so etwas wie Wachstum gibt.

Denn dass die Regierungen und Notenbanken die Verbraucher mit vehement vorgetragenem Zweckoptimismus wieder zum kräftigen Konsumieren animieren wollen, ist nachvollziehbar. Weitgehend verständlich ist wohl auch, dass vielbeachtete Stimmungsbarometer wie der Ifo- Geschäftsklima-Index oder der Konjunkturerwartungsindikator des Mannheimer ZEW eher als Funktion der Aktienkurse denn als deren Schrittmacher einzuschätzen sind.

Schätze ich es richtig ein, gibt es aktuell aber gar kein Wachstum, das sich per Gesetz beschleunigen ließe – weder in den USA noch hierzulande. Dass es innerhalb einer Rezession immer wieder auch einmal zu Aufwärtskorrekturen der ein oder anderen Datenreihe kommt, ist völlig normal, ebenso wie es in Aufschwungphasen gelegentlich zu Abwärtskorrekturen kommt.

Eines der größten Probleme, vor denen die Regierungen nun stehen, erwächst ihnen nun aber gerade aus dem zur Schau getragenen, durch „optimierte“ Wirtschaftsdaten unterlegten Optimismus. Denn wenn es wirklich aufwärts geht, dann erwarten Konsumenten und Anleger selbstverständlich auch bessere Daten von der Wirtschaftsfront. Und die bekommen sie auch (siehe US-Arbeitslosenzahlen vom vergangenen Freitag).

Dass die tatsächliche Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten mittlerweile jenseits der 20 Prozentmarke liegt und die ausgewiesenen Job-Zuwächse fast ausschließlich auf den einmaligen Sondereffekt öffentlicher Beschäftigungsmaßnahmen im Gesundheits- und Sozialbereich zurück zu führen war, will kaum jemand wissen.

Ein inszenierter Aufschwung, den es gar nicht gibt, der aber in den Kursen bereits großzügig eingepreist ist, bedeutet ein hohes Risiko, sobald der Schwindel auffliegt.

Ein singuläres Ereignis wie die Dubai-Krise mögen die Märkte rasch verdauen, brechen jedoch mehrere Krisenherde auf einmal auf, wird die Jahresendrallye zum Rohrkrepierer. Können sich die Akteure noch einmal über die zeit retten, kommt der Abpfiff spätestens im Frühjahr!

Mit besten Grüßen
Axel Retz

© 08.12.2009 Der Autor ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de


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